Beim Cinema Next Breakfast Club auf der Diagonale’25 zum Thema „Humoristisches Erzählen im Film“, betritt Norman Hope, ein amerikanischer Privatdetektiv im Trenchcoat, das Podium. Er entschuldigt sich in eigentümlichem Englisch dafür, dass Alexander Peskador heute nicht hier sein kann, weil es ihm nicht gut geht. Nachdem er einer Veranstaltungsbesucherin einen Apfel gereicht, seinen Stofftierhund aufs Rednerpult gesetzt und sich aus der Küche ein Messer hat bringen lassen, öffnet er damit ein Kuvert, um in akzentfreiem Deutsch einen Brief vorzulesen, den Alexander Peskador für das Publikum verfasst hat.

Guten Morgen Euch Allen!
Es erfüllt mich mit aufrichtiger Freude, dass ihr trotz der langen Nacht, die ihr vermutlich hinter euch habt, die Kraft und den Willen aufgebracht habt, mit uns gemeinsam zu frühstücken und dabei über ein Thema zu sprechen, das mir irrsinnig viel bedeutet.
Ich hoffe, ihr könnt mir verzeihen, dass Ich für meinen Impulsvortrag nicht persönlich auf der Bühne stehe, sondern mich von einem treuen Freund vertreten lasse, der mir so ähnlich sieht, dass man ihn häufig mit mir verwechselt. Das ist sogar mir selbst oft genug passiert.
Ich kann leider nicht persönlich hier sein, weil ich mich seit einem Monat, vier Wochen und fünf Tagen in einer sogenannten Umbruchsphase befinde. Als Elli mich Ende Februar eingeladen hat, heute Vormittag zu und mit euch zu sprechen, konnte sie nicht wissen, dass ich aktuell mehrmals täglich, ja eigentlich rund um die Uhr, sehr intensiv darüber nachdenke, warum Ich immer gerne Menschen zum Lachen gebracht habe und ob Ich das in Zukunft überhaupt noch möchte.
Im riesigen Chor der Stimmen des zeitgenössischen österreichischen Kinos bin Ich vermutlich eine, die man ohne großes Zögern entbehren könnte. Als weißer heterosexueller CIS-Mann mit liebevollen Akademikereltern, aufgewachsen in einem Land, das 80 Jahre lang keinen Krieg gesehen hat, komme Ich bis heute in den Genuss des Privilegs, mich nicht mit den tatsächlichen Problemen unserer Welt unmittelbar auseinandersetzen zu müssen.
Dieses Privileg und die bedingungslose Liebe meiner Eltern haben mir die Möglichkeit gegeben, das Kino zu meinem alleinigen Lebensinhalt zu machen. Seit man mir gezeigt hat, wie man einen VHS-Recorder einschaltet, denke und lebe ich in Filmbildern, und sauge voller Euphorie, wie ein bis in alle Ewigkeit trockener Schwamm alles auf, was mit Kino zu tun hat. Die Frage ist nur: Was macht man nun mit all dem Wissen?
Dass ich Filmemacher werden möchte, stand für mich mit 14 Jahren fest. Und mit Anfang zwanzig hatte ich schließlich auch beschlossen, was für Filme Ich machen möchte: „Ich will keine Traurigkeit in diese Welt tragen. Ich will Menschen zum Lachen bringen“. Nach diesem Credo habe ich die letzten zehn Jahre gelebt. Die Komödie war, wenn man so will, meine Religion.
Worte können nicht ausdrücken, wie viel mir die Liebe, die Wertschätzung und die Dankbarkeit bedeuten, die mir zahlreiche Menschen in den letzten zehn Jahren für meine Arbeit entgegengebracht haben. Das Lachen und die Freude der Menschen um mich herum waren mein Lebenselixier, mein Sprit, meine Droge, von der Ich mich abhängig gemacht habe.
Das Unbarmherzige an einem Leben als Komiker ist, dass man immer sofort spürt, wenn man versagt hat. Wenn ich scherze und keiner lacht, hab ich meine Arbeit schlecht gemacht. Die Schule des Lebens besteht womöglich darin, akzeptieren zu müssen, dass wir niemals alle Menschen um uns herum zum Lachen bringen werden, so sehr wir uns das auch wünschen.
Es werden dir zwangsweise Menschen begegnen, die dich für einen albernen Idioten halten. Es kann dir passieren, dass die Filmhochschule, an der du dein Leben lang studieren wolltest, dich bei allen drei Bewerbungsversuchen ablehnt. Es kann dir passieren, dass das Festival des österreichischen Films acht Jahre in Folge nicht einen einzigen Film von dir spielt. Und es kann dir passieren, dass du Freunde, Familie und deine Partnerin zurücklassen musst, weil die Menschen, die mit deiner Arbeit etwas anfangen können, zufällig nicht ums Eck, sondern 600 Kilometer entfernt leben. Auf diese Dinge hast du keinen Einfluss.
Worauf wir aber einen Einfluss haben, ist die Art, wie wir mit den Widrigkeiten und Rückschlägen des Lebens umgehen wollen. Ich hatte mir vorgenommen, keine Traurigkeit in die Welt zu tragen, und kann nun aus voller Überzeugung sagen, dass Ich an meiner selbst gewählten Mission gescheitert bin. Ihr alle seid Zeugen, wenn Ich heute die Hand auf mein Herz lege und sage: Ich bin traurig.
Das bedeutet aber keinesfalls, dass ich ab sofort meinen Humor in den Keller sperren werde. Das wäre ein Zeichen von Verbitterung und würde mich lediglich dazu bringen, von nun an Gift und Galle in die Welt zu spucken. Ich möchte lediglich eine kleine Anpassung vornehmen und ein neues Motto formulieren, nach dem Ich in Zukunft mein Leben gestalten möchte.
Es ist nicht länger die Traurigkeit, die ich mir verbieten möchte. Ich möchte lediglich keine Verbitterung in die Welt tragen. Ich will keine Verbitterung, sondern Liebe in die Welt tragen. Ich will die Menschen um mich herum nicht als meine Feinde, sondern als meine Freunde betrachten. Ich zwinge meine Liebe niemandem auf. Und ich erwarte mir für meine Liebe keinerlei Gegenleistung zurück.
Ich lebe erst wenige Wochen nach diesen Prinzipien und habe keinerlei Garantie, dass ich nicht wieder auf die Fresse fliege, aber eines fällt mir jetzt schon auf: Seit ich mit gutem Gewissen traurig bin, macht mir das Herumalbern und Witze reißen so viel Spaß, wie noch nie zuvor in meinem Leben.
Ich hoffe, ihr könnt verstehen und mir verzeihen, dass ich die lockere Frühstücksatmosphäre mit meiner Sonntagspredigt ein wenig sabotiert habe, und hoffe, dass in meinem wirren Gerede irgendeine Kleinigkeit dabei war, die ihr für euch mitnehmen könnt. Als Dankeschön dafür, dass ihr mir eure Aufmerksamkeit geschenkt habt, möchte Ich euch nun zum Abschluss die drei Kinokomödien nennen, die mir am meisten bedeuten:
Der Vagabund und das Kind
von Charlie Chaplin aus dem Jahr 1921,
Originaltitel: The Kid
Der Brillantenarm
von Leonid Gaidai aus dem Jahr 1969,
Originaltitel: Бриллиантовая рука
und
Inspector Clouseau, der beste Mann bei Interpol
von Blake Edwards aus dem Jahr 1976,
Originaltitel: The Pink Panther Strikes Again
Ich umarme Euch alle herzlich,
wünsche euch von ganzem Herzen
eine großartige restliche Diagonale
und einen guten Appetit.
Thank you.